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Wir antworten an dieser Stelle zu verschiedenen Themenschwerpunkten.
Volksbegehren allgemein
Die Wissenschaft ist sich mittlerweile weitgehend einig: In land- und forstwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaften (und das ist fast die Hälfte der Flächen in Baden-Württemberg) sind in den vergangenen Jahren unfassbar viele Arten verschwunden. Der Sachverständigenrat des Bundesumweltministeriums sieht zum Beispiel ausbleibende Fruchtfolgen und den Verlust extensiven Grünlands, den Einsatz von Pestiziden und zu große Mengen synthetischer Dünger als Hauptgründe für das Artensterben.
Deswegen ist ganz klar: Wir alle müssen uns für mehr Artenvielfalt anstrengen, aber die Landesregierung muss die Bauern dabei ganz besonders unterstützen. Für die Rettung der Biodiversität ist entscheidend: Die Gifte müssen vom Acker. Andere Themen müssen deswegen im Volksbegehren zurückstehen. Denn in Baden-Württemberg ist es nicht erlaubt, zu viele unterschiedliche Themen in ein Volksbegehren zu packen. Damit soll verhindert werden, dass BürgerInnen über ein ganzes Bündel verschiedener Maßnahmen abstimmen und am Ende nicht mehr klar ist, welches Ziel genau verfolgt wird.
Dennoch wollen wir, dass die Politik auch die genannten weiteren Gefahren für die Artenvielfalt anpackt.
Gemessen daran, sind konventionell erzeugte Lebensmittel heute zu billig. Denn deren Preise enthalten nicht die Folgekosten des Artensterbens, der Trinkwasserverschmutzung oder von Krankheiten durch Pestizide. Wenn diese Folgekosten nicht von der Allgemeinheit bezahlt würden, wären diese Lebensmittel deutlich teurer. Klar ist aber auch: Wer eine nachhaltige Agrarwende will, muss sich auch für mehr Wertschätzung für die Arbeit der LandwirtInnen im Land einsetzen. Wir glauben: Wenn VerbraucherInnen die Vorteile landwirtschaftlich erzeugter Produkte – also etwa Nachhaltigkeit und Regionalität – klar kommuniziert werden, sind sie dazu bereit.
Artenvielfalt und Naturschutz
Die Welternährungsorganisation gibt an, dass 71 Prozent der von Menschen verzehrten Lebensmittel von Bienen bestäubt werden. Weltweit sind dennoch laut des Weltbiodiversitätsrats etwa eine Million Arten insgesamt bedroht. Und in Baden-Württemberg sieht es nicht besser aus: Die Hälfte der 460 Wildbienenarten, die hier vorkommen, stehen auf der roten Liste. Früher häufig vorkommende Arten wie Rebhuhn oder Feldhamster sind fast verschwunden. Am Bodensee sind laut Max-Planck-Gesellschaft 25 Prozent der Vögel seit 1980 verschwunden. Und das Landesumweltministerium verkündete erst Ende September ein großes Insektensterben im Land.
Bericht des Weltbiodiversitätsrats: https://www.helmholtz.de/fileadmin/user_upload/IPBES-Factsheet.pdf
Auswirkungen der Gesetzesänderung auf die Landwirtschaft
Damit durch unser Gesetz Politik gefordert, Landwirtschaft aber gefördert wird, haben wir bei der Formulierung darauf geachtet, in vielen Punkt nur einen Rahmen vorzugeben. So schreibt unser Gesetzentwurf nicht mikromanagement-mäßig vor, wie LandwirtInnen im Alltag einzelne Parzellen zu bewirtschaften haben und wir zwingen auch niemandem eine konkrete Bewirtschaftungsform auf. Stattdessen gibt das Volksbegehren Ziele vor, über deren konkrete Erreichung und Umsetzung die Politik und Verwaltung im parlamentarischen Diskurs beraten und bestimmen kann. Das Innenministerium hat übrigens den Vorwurf, unser Gesetz beschneide die Berufsfreiheit von Landwirten intensiv geprüft. Ergebnis: der Gesetzentwurf ist einwandfrei.
Thünen-Studie zur Öko-Landwirtschaft: https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen_Report_65.pdf
Thünen-Studie zur Öko-Landwirtschaft: https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen_Report_65.pdf
Hunger hat andere Ursachen, zum Beispiel Armut, mangelnder Zugang zu Boden, Wasser und anderen Ressourcen sowie schlechte Regierungsführung. Zudem ist Öko-Landwirtschaft gar nicht ineffizienter: 2014 hat die Universität von Berkeley die bis dahin größte Metastudie vorgelegt, in der weltweit 115 Studien mit über 1000 Ertragsvergleichen zwischen konventioneller und ökologischer Produktion ausgewertet wurden. Die Studien stammten aus 38 Ländern. Sie stellten fest, dass Biobetriebe nur 19,2 Prozent weniger Ernteertrag verzeichnen als vergleichbare konventionelle Betriebe.
Berücksichtigt man noch den Effekt unterschiedlicher Fruchtfolgen, dann halbiert sich die Lücke. Zudem weisen die Forscher daraufhin, dass öffentliche Forschungsförderung seit Jahrzehnten ausschließlich in den konventionellen Bereich geflossen sei. In Baden-Württemberg etwa fließen weniger als fünf Prozent der Forschungsmittel, die in Landwirtschaft gehen, in die ökologische Landwirtschaft. Hätte man Forschung zum Biolandbau mit ähnlichen Summen gefördert, hätte sich der Unterschied weiter verringert.
Viele gängige Ertragsvergleiche sind zudem wenig geeignet, weil sie lediglich Hektarfläche und Ertrag als Bezugsgröße für Effizienz von Landwirtschaft nehmen, aber ausblenden, dass weitere Güter knapp sind: Rohstoffe, Atmosphäre, Biodiversität, Wasser, Gesundheit, fruchtbarer Boden. Wenn man das alles berücksichtigt, ist Öko-Landwirtschaft deutlich zukunftsfähiger.
Zudem geht es uns darum, mehr geschützte Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen zu schaffen. Diese Forderung ist allerdings keine, die zu Verboten oder Zwangsmaßnahmen gegenüber einzelnen Landwirten fügt. Die Landesregierung hat außerhalb von Schutzgebieten gar keine Möglichkeiten, in Deutschland zugelassene Pestizide zu verbieten. Stattdessen soll sei eine Strategie erarbeiten, wie Landwirte (und andere Landnutzer) animiert und gefördert werden können, auf entsprechenden Flächen auf Pestizide zu verzichten.
Wird der 50-Prozent-Wert bis 2025 nicht erreicht, erfolgen keine Zwangsmaßnahmen gegen einzelne Landwirte. Allerdings sehr wohl gegen die Landesregierung: Sie steht dann in der Pflicht, sich eine bessere Strategie einfallen zu lassen.
Deswegen brauchen sie qualitative Vorteile. Solche könnte etwa besonders nachhaltig erzeugtes Obst oder erzeugter Wein aus Schutzgebieten sein. Naturnah erzeugter Wein aus dem Schutzgebiete Kaiserstuhl lässt sich erwiesenermaßen besser und hochpreisiger vermarkten, als wenn den Wein in Anbau und Herstellung nichts von den günstigeren Konkurrenzprodukten aus anderen Weltgegenden unterscheidet.
Zudem ist Baden-Württemberg ja nicht die einzige Region, in der derzeit der Einsatz von Pestiziden verbindlich reduziert werden soll: Österreich, Südtirol oder einzelne Regionen Frankreichs Skandinaviens, ja selbst in Indien, sind auf ähnlichem Wege. Auch die Bundesregierung arbeitet an einer entsprechenden Strategie – wenn Baden-Württemberg jetzt handelt, kann es noch Vorreiter sein. Ansonsten wird es irgendwann einfach nur noch umsetzen müssen, was von außen vorgegeben wird. Dennoch braucht es natürlich auch über Baden-Württemberg hinaus eine Systemänderung in der Landwirtschaft, um diesen Effekt zu bekämpfen. Aber wir glauben, dass man hier vor Ort anfangen muss – sonst fängt niemand an.
Das ist auch nicht überraschend: Die Nutzung von Privateigentum wird in Deutschland in vielen Bereichen geordnet. Wenn Sie ein denkmalgeschütztes Haus besitzen, dürfen Sie es auch nicht vollständig nach eigenem Ermessen verändern. Wenn Ihnen ein Restaurant gehört, dürfen Sie dort auch nicht öffnen wann Sie wollen oder die Außenfläche komplett frei nach eigenen Wünschen nutzen. Es bedarf eben an vielen Stellen einer Abwägung zwischen Einzel- und Gemeinschaftsinteressen, und oft gelingt die doch sehr gut.
Bis 2025 nur noch halb so viele der industriell, öffentlich und landwirtschaftlich genutzten Flächen im Land wie heute mit Ackergiften zu belasten, ist sicher ambitioniert, aber machbar. Mit dem Volksbegehren wollen wir die Landesregierung dazu verpflichten diesen Weg einzuschlagen. Natürlich brauchen Bauern bei der Umstellung auf eine pestizidfreie Landwirtschaft auch Beratung und finanzielle Unterstützung. Aber genau so ist unser Gesetz ja formuliert: Wir wollen Politik fordern und Landwirtschaft fördern. Deswegen verpflichtet unser Gesetz nicht den einzelnen Betrieb sondern die Politik, sich eine Strategie zum Erreichen dieses Ziels zu überlegen. Die Landesregierung muss dann Förderprogramme und Anreize erarbeiten, dass die Landwirte freiwillig auf Pestizide verzichten. Es gibt für die Landesregierung nämlich rechtlich keine Möglichkeit, außerhalb von Schutzgebieten in Europa zugelassene Pestizide zu verbieten.
Vor allem in Schutzgebieten haben Pestizide nichts zu suchen. Deswegen fordern wir dort, und nur dort, ein Verbot von Pestiziden. Wenn Flächen als besonders geschützte und zu schüt-zende Gebiete ausgewiesen sind, dann sollten sie auch besonders geschützt sein. Gleichzeitig führen wir eine Ausnahmeregelung ein, die dem Schutz der Artenvielfalt dient und den Land-wirt*innen weiterhin die Pflege der Kulturen er-möglicht. Die Ausnahmeregelung sieht vor, dass Pflanzenschutzmittel, die die Artenvielfalt nicht gefährden, weiter zugelassen werden müssen (klare Vorgabe aus dem Zulassungsbescheid des Innenministeriums). Viele gängige Mittel des öko-logischen Landbaus werden somit weiter möglich sein. Die Ausnahmen bedeuten eine Ermächti-gung für die Landratsämter (im Einzelfall) und für die Regierungspräsidien (generell), die Anwen-dung von (bestimmten) Pflanzenschutzmitteln in diesen Schutzgebieten zuzulassen, wenn die Ar-tenvielfalt dadurch nicht gefährdet wird. Damit geben wir den Behörden erstmalig ein Werkzeug an die Hand, Pestizide, die das Artensterben in Schutzgebieten verursachen, von der Anwendung auszuschließen.
Wir wollen eine Agrarwende, die die kleinbäuerlichen Betriebe rettet. Ausgerechnet das Volksbegehren für deren Aufgeben verantwortlich zu machen, ist gewagt: Die bisherige Agrarpolitik hat dazu geführt, dass etwa in Baden-Württemberg die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in den vergangenen Jahren dramatisch zurückgegangen ist. Die Zahl der kleinen und mittleren Höfe im Ländle hat sich seit 1999 fast halbiert, dagegen stieg die Zahl der Höfe, die 200 Hektar und mehr bewirtschaften, in diesem Zeitraum um mehr als das Dreifache. Das Höfesterben wird also nicht vom Gesetzentwurf sondern von der bisherigen Agrarpolitik verursacht. Die Sache ist doch klar: Wenn sich an der Politik nichts ändert, gibt es auch keinen Grund anzunehmen, dass sich an dieser Entwicklung etwas ändert.
Kein einziger Winzer außerhalb von Schutzgebieten wird durch unser Gesetz zu irgend etwas gezwungen. Winzer, die in Schutzgebieten arbeiten, müssen künftig allerdings darauf achten, dass sie die Artenvielfalt vor Ort besser als bisher schützen. Denn gerade im konventionellen Weinbau werden überdurchschnittlich viele Pestizide ausgebracht. Welche davon künftig noch erlaubt sind, lässt sich nicht generell beantworten. Hier muss für die jeweiligen Schutzgebiete überprüft werden, welche Gifte für die Arten vor Ort gefährlich sind und welche nicht. Das ist Aufgabe von Wissenschaftlern und Behörden. Das kann und muss auch von einem zivilgesellschaftlichen Bündnis nicht geleistet werden. Nur so viel: Viele übliche Mittel des ökologischen Weinbaus bleiben weiter zugelassen.
Kein einziger Obstbauer außerhalb von Schutzgebieten wird durch unser Gesetz zu irgend etwas gezwungen. Auch im Obstbau sind zunächst nur Betriebe direkt betroffen, die in Schutzgebieten wirtschaften. Hier wird es vor allem für konventionell arbeitende Betriebe zu Einschränkungen kommen. Das halten wir aber für dringend nötig. Gerade in Schutzgebieten muss die Landwirtschaft insgesamt nachhaltiger werden. Forscher der Max-Planck-Gesellschaft haben zuletzt nachgewiesen, dass ausgerechnet rund um den Bodensee die Zahl der Vögel seit 1980 um 25 Prozent zurückgegangen ist. Und das, obwohl rund um den Bodensee so viele Schutzgebiete für die Natur eingerichtet wurden wie kaum irgendwo anders im Land. Das heißt also: die jetzigen Regeln funktionieren nicht.
Es darf nicht sein, dass selbst hochgiftige Mittel wie Glyphosat oder Neonikotinoide in Schutzgebieten ausgebracht werden können. Die gehören einfach nicht in Naturschutzgebiete. Den Betrieben bleibt in vielen Fällen die Umstellung auf pestizidfreie oder ökologische Produktion. Ebenfalls denkbar wäre eine Weiterentwicklung von im konventionellen Anbau zugelassenen Mitteln, sodass sie die Artenvielfalt nicht mehr gefährden.
Sollte es dennoch in Einzelfällen zu so starken Einschränkungen kommen, dass Besitzer auf einzelnen Flächen in Naturschutzgebieten keinerlei Landwirtschaft mehr betrieben können, werden sie vom Land finanziell entschädigt. Das regelt das Bundesnaturschutzgesetz automatisch.
Vor allem die beiden großen konventionellen Bauernverbände aber verunsichern ihre Mitglieder systematisch. Wir glauben dennoch, dass nach Jahren verfehlter Agrarpolitik, die zu einer Rekordzahl an Höfesterben gerade kleiner Betriebe in Baden-Württemberg (ihre Zahl ging seit 1999 um fast die Hälfte zurück) geführt hat, eine Agrarwende dringend nötig ist. Deswegen suchen wir an vielen Stellen das Gespräch mit LandwirtInnen, unter anderem in einem eigenen Arbeitskreis, der begleitende Maßnahmen für LandwirtInnen erarbeitet.
Thünen-Studie zur Öko-Landwirtschaft: https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen_Report_65.pdf
Da das Land außerhalb von Schutzgebieten aber überhaupt keine Regeln zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erlassen darf, geht es hier ausschließlich um freiwillige Anreize für die Landwirtschaft. Die Landesregierung wird in unserem Gesetz aufgefordert, eine Strategie zu erarbeiten, wie LandwirtInnen, aber auch BesitzerInnen von Industrie- oder öffentlichen Flächen freiwillig ihren Pestizideinsatz reduzieren können. Das geht ausschließlich über Förderungen und positive Anreize für Landwirte. Es wird kein Betrieb durch dieses Gesetz zu etwas gezwungen.
Öko-Markt
Der Bio-Anbau liegt in Baden-Württemberg derzeit bei rund 16 Prozent und wächst stetig. Und noch lange kann sich Baden-Württemberg nicht mit Öko-Produkten selbst versorgen. Es werden viele Produkte in Bio-Qualität importiert: 34 Prozent des Weizen, 41 Prozent der Karotten oder 28 Prozent der Äpfel. Wir glauben, dass die Produktion deswegen weiter gesteigert werden kann mit weiteren Fördermaßnahmen und Initiativen zur besseren Verarbeitung und Vermarktung von Biolebensmitteln sowie durch den Einsatz von Bio in öffentlichen Kantinen. Hier muss das Land noch aktiver werden. Wir sind aber auch als Verbraucher gefragt, uns an der Ladentheke bewusst für diese Produkte zu entscheiden. Es gilt der einfach zu merkende Spruch: „Bio, saional und regional ist erste Wahl.“
Das Forschungsinstitut FIBL hat für Bayern untersucht, wie realistisch eine derartige Ausweitung des Öko-Anbaus ist. Das Ergebnis, das sich auf Baden-Württemberg durchaus übertragen lässt: Es gibt viel Luft nach oben, ohne dass der Markt zusammenbricht – wenn die Landesregierung entsprechend aktiv wird. Vor allem müssten Vertriebswege gefördert, Vermarktungsmöglichkeiten gestärkt und etwa die öffentliche Verpflegung auf regional und bio umgestellt werden.
Das alles können wir aber nicht in den Gesetzentwurf schreiben. Es gibt für Volksbegehren klare rechtliche Vorgaben. Eine der wesentlichsten: Es muss ein primäres Ziel für das Volksbegehren definiert werden, in unserem Fall: Stärkung des Artenschutzes. Dann dürfen ausschließlich Gesetzesänderungen beantragt werden, die in direktem, eindeutig belegbarem Sachzusammenhang mit diesem Ziel stehen. Zudem darf nur das absolute notwendige Minimum an verschiedenen Gesetzen angefasst werden. Deswegen können wir zwar mit Blick auf die verheerende Wirkung von chemisch-synthetischen Pestiziden auf die Artenvielfalt deren Reduktion und den Ausbau der Öko-Landwirtschaft (deren positive Wirkung auf die Artenvielfalt wissenschaftlich belegt ist) über entsprechende Änderung von Naturschutz- und Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz fordern, dürfen darüber hinaus aber keine weiteren gesetzlichen Bestimmungen formulieren, etwa im Bereich Handelsstrukturen oder Vertrieb von Öko-Lebensmitteln. Das, so ist nun mal die Logik des Volksabstimmungsgesetzes, muss dann wieder die „Profi“-Politik im Anschluss machen.
In Wirklichkeit sind viele Nahrungsmittel nur scheinbar billig, weil die negativen externen Effekte, die sie auf die Umwelt und die Gesellschaft auslösen, nicht in die Preiskalkulation einfließen. Etwa wenn billig ausgebrachter Kunstdünger das Grundwasser belastet oder Pestizide die Gesundheit. Die Studie „How much is the dish?“ der Universität Augsburg hat das mal nachgerechnet. Würden die Umweltfolgekosten in die Marktpreise für Lebensmittel einberechnet, dann müssten beispielsweise die Erzeugerpreise für tierische Produkte aus konventioneller Landwirtschaft dreimal so teuer sein, Gemüse aus konventionellem Anbau 28 Prozent.
Wie man das ändert? Zum Beispiel durch Steuern oder Abgaben auf Produkte, denen eine die Umwelt belastende Wirkung nachgewiesen wird. In Norwegen, Schweden und Frankreich werden Pestizide mit umfangreichen umwelt- oder gesundheitsschädlichen Risiken höher besteuert als weniger gefährliche.
Streuobstwiesen
Die Pflege der Bestände, also zum Beispiel der Beschnitt oder der Austausch der Bäume, durch die Besitzer bliebt aber natürlich jederzeit möglich. Das heißt, es können selbstverständlich einzelne, zu dicht stehende, anfällige oder aus anderen Gründen nicht mehr gewünschte Bäume gefällt werden, solange der Bestand erhalten bleibt, ohne dass dafür bürokratischer Aufwand betrieben werden müsste. Es gibt zudem, eine recht großzügige "Bagatellgrenze"" von immerhin 2.500 m² und eine Ausnahme für Bäume, die weniger als 50 Meter vom nächsten Wohn- oder Hofgebäude entfernt stehen.
Sollte eine Fläche doch mal gerodet werden müssen, geht dies, wenn an anderer Stelle in der Nähe ein Ausgleich geschaffen wird. Gleichzeitig sollte bei der Nutzung allerdings berücksichtigt werden, dass es sich um besonders schützenswerte Lebensräume handelt. Die Reduzierung des Pestizideinsatzes auch auf diesen Flächen erscheint uns deswegen mit Blick auf die verheerende Wirkung von Pestiziden auf Lebewesen geboten. Das alles funktioniert aber nur, wenn nicht nur die Besitzer der Streuobstflächen sondern auch die Landesregierung ihrer Verantwortung gerecht wird: Sie muss die Pflege von Streuobstflächen und die Vermarktung der dort entstehenden Produkte besser fördern als bisher. Dann aber ist unser Gesetz für Streuobstbesitzer ein echter Gewinn: durch die Unterschutzstellung wird der Wert des Kulturguts Streuobst erst richtig betont – und das lässt sich in der Vermarktung von entsprechend werthaltigen Produkten umsetzen.
Das Argument, dass möglicherweise schon im Vorfeld des Gesetzes Streuobstwiesen gerodet werden, ist dennoch nicht ganz von der Hand zu weisen. Wenn aus Angst vor derartigen Übergriffen auf Verbote für den Naturschutz verzichtet würde, wären dem (amtlichen) Naturschutz die Hände völlig gebunden.
Schutzgebiete
Und ohne Artenvielfalt wird auch keine Landwirtschaft möglich sein. In Schutzgebieten werden wir also die Regeln so verschärfen, dass seltene Arten dort überleben können – und natürliche Pflanzenschutzmittel, die die Artenvielfalt vor Ort nicht gefährden, weiter eingesetzt werden können. Dafür enthält unser Gesetzentwurf glasklare Regeln.
Wissenschaftliche Studien
- Sanders, Hess (2019): „Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft“, Thünen-Institut
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und nukleare Sicherheit (2018): "Bericht des Bundes über Kenntnisstand, aktuelle Forschungen und Untersuchungen zum Insektensterben sowie dessen Ursachen"
- Insektenstudie der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (2019)
- Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie, Radolfzell / Konstanz (2019): "Starke Bestandsveränderungen der Brutvogelwelt des Bodenseegebietes – Ergebnisse aus vier flächendeckenden Brutvogelkartierungen in drei Jahrzehnten."
- Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), (2018), Stellungnahme: "Für einen flächenwirksamen Insektenschutz"
- Umweltbundesamt (2017): „Pflanzenschutzmittel in der Umwelt“
- NABU BW, "Pestizidbericht für Baden-Württemberg" (2018)